Einladung zu einer Vorführung und Erprobung hexischer Praktiken und Spiele. Am Montag dem
26. Juni um 19:00 im 3. Stock.
Die Zukunftshexerei ist eine Flaschenpost, ein Tanz quer zur Geschichte, ein
umgekehrter Wald in unserer Haut.
Das Zweiundzwanzigste Jahrhundert
Unsere Haut trägt die Schrift der Anatomie als Narbe, und so müssen wir unsere Haut
transparent machen, hindurchtanzen. Eine Reise über die Erde, aber diese Erde ist jetzt
weiblich und trägt Masken (Morgner). Auftritt des Wals als Gebärmutter. Eine Reise der
Vernunft, und die Wege haben sich getrennt nach den Geschlechtern.
Lauras liest ihre Flaschenpost: „Auf der Überfahrt nach Tharsis näherte sich unser Schiff
einem Leuchtturm. Er stand auf einer gepflasterten Insel. An ihrer Küste bleichte das
Gerippe eines großen Fisches“. Die Sirene zieht bald durch das Meer und entdeckt ihren
Garten. "In Split durchschau ich die Haut einer Frau. Im Gegensatz zu ihren Brüdern, die auf
den Lehrstühlen denken über die Welt, kostet sie von ihr. So kommt es, daß Laura von Straßen
durchquert ist und von Schienen und Flüssen, die lagern Gegenstände ab in Gewände ihres
Leibs, belebte und unbelebte.“
Das Zwanzigste Jahrhundert
Ich werde zur Sirene und esse die Männer. Am Rand der neuen Stadt, in der verschneiten
Einöde, hat der Circus Europa seine Zelte aufgeschlagen. Auftritt des Wals, la Grande Mouna,
mit der Treppe im Schlund, die Welt ist bereits ein Theater und Giacomo trifft den alten
Freund. „Du reist in Länder, die nicht existieren, Egard. - Oh, Giacomo... - Auch
ich reise viel, aber in der Realität.“ Die Realität des neuzeitlichen Mannes ist die
aufgeschnittene Frau, seine Reise führt ihn vom Nordpol oder auch Südpol bis zur Klitoris,
die Erde ist in seinem Besitz, und wie können wir da von „Erde“ sprechen?
Spruch der Hexe Amanda: „Nicht die Entwicklung des abstrakten Denkens, sondern
dessen Ausschließlichkeitsanspruch, der eine Weiterentwicklung des bildhaften Denkens nicht
nur verhinderte, sondern seine Errungenschaften zerstörte, machte mir das Leben schwer.“ Zu
besichtigen ist sie heute in der Voliere: „Als meine beiden Gärtner den Sommer ausjäten,
wurde ein Schild an meiner Voliere befestigt. Auf dem Schild stand eingprägt: strix
sirensis.“
Das Achtzehnte Jahrhundert
Licht ist das Ergebnis von Finsternis. Eine Academiegründung zu Petersburg ist das Programm
der Aufklärung; diese Academie aber ist ein riesiger begehbarer Walfisch. Selbige Attraktion
ist als Lehrbeispiel getarnt und wird „zur Verbesserung der allgemeinen und besonderen
Zustände wesentlich beitragen“ - im Feldbau, in den Manufacturen und Commercien; Natur als
Spiel, Spiel als Kalkül.
Leibniz hat hier den Dualismus durch Imagination überwunden. Als er dem Zaren Peter im
Dezember die Einrichtung eines „Theatrum Naturae et Artis“ ans Herz legt, einem Lustgarten
von Bibliotheken, Iconotheken, Kunst- und Raritätenkammern, Zeug- und Rüsthäusern, Gärten
vieler Art, auch Tierbehältnissen und großen Werken der Natur und Kunst selbst, steigt er
die Wendeltreppe hinauf in den alten Turm, einen Leucht- oder Elfenbeinturm, der früher
einmal kultischen Zwecken gedient haben mag (Auftritt des Wals) und späht über den Ozean. Er
lässt den Blick über den Walrücken gleiten, der jetzt Zäune trägt und vermietet ist - an
„Leute, die das Licht nicht zu scheuen haben und zuverlässig Futter liefern“.
Das Sechzehnte Jahrhundert
„Hexerei“ ist nicht Magie, sondern Klassenkampf. Wenn die „Hexen“ Hecken ausreißen, bekämpfen
sie die Privatisierung. Wenn sie verhüten und abtreiben, dann geben sie Frauen Autonomie
über ihren eigenen Körper. Wenn sie sich mit Salbe eincremen und gemeinsam fliegen, dann
kommen sie zu „allen Genüssen der Welt“. Hexenverfolgung ist die erste Differenzsetzung der
Neuzeit, brutale Unterwerfung aller Frauen unter ihren Mann. Sie diszipliniert den Körper
bis heute, durch ein Symbol, das Geschlecht.
Was Foucault beobachtet - den Übergang von „einem Typus der Macht, der auf dem Recht zu töten
gründet, zu einem anderen Typus, der durch die Verwaltung und Förderung von Lebenskräften
wie etwa Bevölkerungswachstum verfährt“ - erkennt Silvia Federici als patriarchale Aneignung
der Reproduktionsmacht in einer Phase der Deakkumulation von Kapital: „[…] die Förderung der
Lebenskräfte entpuppt sich als Ergebnis des neuen Interesses an der Akkumulation und
Reproduktion von Arbeitskraft“. Sie erkennt die neue Biomacht als Voraussetzung für die
Ursprüngliche Akkumulation, Einläutung der der Neuzeit, und benennt in ihrem lesenswerten
Buch „Caliban und die Hexe“ die Schichten der Disziplinierung und der Angst, die seitdem in
unsere Körper eingeschrieben wurden.
Wir laden ein zu Future Witchcraft, einem Abend voll Liebe und Zärtlichkeit und
Einstimmung auf den baldigen Weltkongress der Zukunftshexerei!